Was Anfänger auf dem Eis wirklich wissen müssen
Wer das erste Mal auf einer spiegelglatten Fläche steht, spürt sofort: Das hier ist kein gewöhnlicher Untergrund. Die Füße suchen Halt, der Oberkörper arbeitet gegen das Schwanken, und jeder Schritt fühlt sich wackeliger an, als er aussieht. Doch genau diese Unsicherheit gehört dazu. Sie zwingt den Körper, sich neu zu organisieren – und legt damit den Grundstein für eine Fähigkeit, die viele unterschätzen: Gleitende Bewegung unter Kontrolle zu bringen.
Balance ist kein Zustand, sondern ein Prozess
Beim Einstieg in den Eissport ist eines wichtiger als Geschwindigkeit: das Gleichgewicht. Wer lernen möchte, sich flüssig zu bewegen, sollte nicht versuchen, voranzukommen – sondern zu stehen. Erst wer sich stabil aufrichten kann, ist in der Lage, Bewegungen kontrolliert einzuleiten. Dafür braucht es keine Vorkenntnisse, sondern Geduld. Und einen stabilen Körperschwerpunkt.
Schon kleine Verlagerungen der Hüfte oder minimale Kniewinkel beeinflussen das Gleiten. Deshalb ist es hilfreich, zunächst in einer leichten Kniebeuge zu stehen – die Arme leicht gehoben, den Blick nach vorn gerichtet. Wer versucht, sich über die Fußgelenke zu stabilisieren, verliert schneller die Kontrolle. Besser: die Kraft aus dem Rumpf holen und das Tempo später aufbauen.
Technik geht vor Tempo
Wer zu Beginn möglichst schnell vorankommen will, unterschätzt oft die Bedeutung sauberer Bewegungen. Schnelle Schritte bringen wenig, wenn sie unkoordiniert sind. Viel effektiver ist es, das Gleitverhalten zu üben: ein Bein leicht anwinkeln, das andere bewusst nach außen drücken, dabei den Fuß nicht vom Eis abheben. Diese Bewegung – ähnlich dem seitlichen Abstoß beim Skaten – bildet die Grundlage für jede weitere Technik.
Dazu gehört auch das sichere Anhalten. Viele Neulinge stoppen instinktiv mit beiden Füßen gleichzeitig – und landen prompt auf dem Eis. Besser ist es, das vordere Bein in einer leichten Kurve zur Seite zu ziehen. Wer regelmäßig übt, entwickelt bald ein Gefühl dafür, wie viel Druck notwendig ist – und wann die Kante greift.
Sicherheit ist nicht verhandelbar
Auch wenn es verlockend ist, ohne Helm oder Handschutz loszulegen – auf glattem Boden kann ein Sturz schnell gefährlich werden. Vor allem Kinder sollten nicht ohne Protektoren fahren. Und wer denkt, dicke Winterkleidung reiche als Puffer, täuscht sich: Sie behindert eher die Bewegung, als dass sie schützt.
Daher gilt: Leichte, bewegliche Kleidung kombinieren mit festen Handschuhen, Knieschonern und – je nach Alter – einem Helm. Wichtig ist auch der Zustand der Ausrüstung. Viele Anfänger mieten sich für den Einstieg ein Paar Schlittschuhe, die oft nicht optimal passen. Ein guter Sitz verhindert Druckstellen, aber auch das Kippen des Sprunggelenks – ein häufiger Grund für unsaubere Bewegungen.
Fortschritte sind nicht linear
Wer erwartet, nach drei Trainingseinheiten mühelos über das Eis zu gleiten, wird enttäuscht. Der Weg zur Sicherheit verläuft in kleinen Schritten – und manchmal auch rückwärts. An einem Tag fühlt sich alles rund an, am nächsten scheinen selbst die Grundbewegungen mühsam. Das ist normal. Denn der Körper lernt hier nicht nur neue Bewegungen, sondern auch ein völlig anderes Gleichgewichtssystem kennen.
Deshalb: kleine Etappen setzen, Wiederholungen einbauen, Pausen zulassen – und die Fortschritte dokumentieren. Das motiviert nicht nur, sondern zeigt auch, wie sehr Technik und Körpergefühl zusammenhängen.
Drei Dinge, die den Einstieg deutlich leichter machen
Wer mit System trainiert, spart Zeit – und Nerven. Drei einfache Prinzipien helfen Anfängern, schneller sicher zu werden:
Prinzip | Warum es wirkt |
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Langsam starten, häufig stoppen | Das Anhalten trainiert Balance und Kontrolle |
Blickführung bewusst nutzen | Wer starr auf die Füße schaut, verliert Haltung |
Gleichgewichtsübungen ohne Eis | Stabilität lässt sich auch auf Matten oder Teppich trainieren |
Der eigene Rhythmus zählt
Am Anfang sieht vieles unbeholfen aus. Die Bewegungen wirken eckig, das Tempo stimmt nicht, und jeder zweite Versuch endet im Stolpern. Doch mit jeder Runde auf dem Eis wächst das Gefühl für Timing, Gleitverhalten und Körperspannung. Irgendwann läuft der Körper „von allein“ – nicht aus Gewohnheit, sondern aus Erfahrung.
Wer sich nicht an anderen misst, sondern auf den eigenen Rhythmus hört, wird merken, wie viel Potenzial in jeder Einheit steckt. Das Eis verlangt Respekt – aber keine Angst. Wer dranbleibt, wird sicherer. Und wer sicherer wird, hat mehr Freude an der Bewegung.
Interview – „Ich dachte, das lernt man in einer Stunde“
Gespräch mit Jana Löwe, 31, Kommunikationsdesignerin aus Leipzig.
Sie hat vor drei Monaten angefangen, regelmäßig auf dem Eis zu trainieren – ohne Vorerfahrung, ohne Sportverein, aber mit Neugier.
Frage: Jana, was hat dich dazu gebracht, mit dem Eislaufen anzufangen?
Jana Löwe: Ich war immer fasziniert von der Eleganz, mit der sich Menschen über das Eis bewegen – auch wenn ich selber keinen Sporthintergrund habe. Dann habe ich zufällig an einem Sonntag ein Paar gebrauchte Schlittschuhe gesehen, gekauft – und es einfach ausprobiert.Frage: Wie war der erste Tag?
Jana: Brutal. Ich dachte, das ist wie Fahrradfahren – schwer am Anfang, dann klickt es. Aber es klickte nicht. Ich war steif, habe den Oberkörper verkrampft, und mein Gleichgewicht war völlig weg. Ich bin bestimmt fünfmal gefallen. Aber ich hab gemerkt, wie schnell der Körper lernt, wenn man regelmäßig übt.Frage: Was hat dir konkret geholfen, dranzubleiben?
Jana: Ich hab keine Vergleiche mehr zugelassen. Am Anfang wollte ich unbedingt „mit den anderen mithalten“, aber das hat mich nur blockiert. Erst als ich meinen eigenen Rhythmus akzeptiert habe, wurde es besser. Außerdem habe ich mir kurze Sessions vorgenommen, 30 Minuten, dafür drei- bis viermal die Woche. Und: Ich hab gelernt, dass eine gute Haltung wichtiger ist als Tempo.Frage: Dein Tipp für absolute Anfänger?
Jana: Nicht aufgeben, wenn’s frustrierend wird. Und: Niemals mit dicken Skihandschuhen fahren – man braucht Gefühl in den Fingern. Lieber gute Sporthandschuhe tragen, die beweglich sind. Und vor allem: ruhig bleiben, auch wenn’s wackelt.Frage: Was ist dein Ziel?
Jana: Ich will mal eine Runde drehen, ohne zu denken. Einfach gleiten. Und dabei Musik hören. Klingt banal – aber für mich wär das schon große Freiheit.
Bewegen statt bremsen
Eis ist kein Feind, sondern ein Spielfeld. Wer sich darauf einlässt, lernt nicht nur, sich anders zu bewegen – sondern auch, auf sich selbst zu vertrauen. Es braucht keinen perfekten Start, sondern nur den Mut, überhaupt anzufangen. Der Rest kommt mit jedem Schritt – oder besser: mit jedem kontrollierten Gleiter.
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